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Wolfram von Eschenbach

Wer in der Eichstätter Diözesangeschichte nach berühmten Dichtern und Schriftstellern forscht, der kann zumindest für das Mittelalter eine reiche Ernte einbringen: Konrad von Hainsfarth, der Tannhäuser, Konrad Kyeser, Heinrich von Pfalzpaint, Bruder Gerald mit seinem Waltharilied und nicht zuletzt Wolfram von Eschenbach.
Da wir bei den Lebensdaten Wolframs auf Vermutungen angewiesen sind - er ist ca. 1170 geboren und etwa 1220 gestorben -, könnte das Bistum ein doppeltes Jubiläum feiern, den 800. Geburtstag und den 750. Todestag. Dieses Jubiläum mag ein willkommener Anlass sein, die wichtigsten Hinweise auf die Herkunft des Dichters zusammenzutragen. Die Historiker des 17. und 18. Jahrhunderts hielten ihn für einen Schweizer; ja er soll sogar an der Ermordung König Albrechts I. beteiligt gewesen sein. 1795 taucht zum ersten Mal die Stadt Eschenbach bei Ansbach als Geburtsort des Dichters auf und zwar im "Kaiserlich privilegierten Reichsanzeiger". Der Breslauer Literaturhistoriker Johann Gustav Büsching untersuchte 1809 Wolframs Herkunft eingehend und kam zu dem Ergebnis: "Eschenbach ist ein oberpfälzischer Ritter." Damit erhob auch Eschenbach südlich von Bayreuth Anspruch auf Wolfram und es begann ein erbitterter Streit, der sich über Jahre hinzog. Schließlich ließ die Regierung des Rezat- und Obermainkreises für beide Orte Gutachten ausarbeiten. Das Gutachten für das Ansbacher Eschenbach fertigten Stadtpfarrer Röder und der berühmte Karl Heinrich Ritter von Lang. Die Entscheidung wurde jedoch verschiedentlich schon vorweggenommen. Der Germanist und Handschriftenforscher Schmeller und der Dichter Ludwig Uhland entschieden sich für das mittelfränkische Städtchen.
Trotzdem ließ König Maximilian II. neue Untersuchungen anstellen. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass Eschenbach bei Ansbach als Heimat Wolframs anzusehen sei. Die Regierungsentschließung vom 21 Januar 1857 ist an das Kgl. Hofsekretariat gerichtet und hatte folgenden Wortlaut: "Ich beabsichtige, den beiden bayerischen Dichtern des Mittelalters Wolfram von Eschenbach und Walther von der Vogelweide Monumente zu errichten und zwar dem Ersteren in seinem Geburtsorte Eschenbach und dem Letzteren zu Würzburg, wo er begraben liegt. Für jedes dieser Monumente bestimme ich eine Summe von 1200 Gulden. Wollen Sie nun durch Hofbauinspektor Riedel Pläne anfertigen lassen. Die Inschrift soll Professor Geibel Mir vorschlagen: Sie können ein paar Verse aus dem betreffenden Dichter und zugleich die Widmung Meinerseits enthalten."
Am 1. Mai 1861 wurde das Denkmal in Eschenbach feierlich enthüllt. Bleibt die Frage: Worauf stützt sich die Zuweisung, war sie berechtigt bzw. hält sie auch der heutigen Kritik stand? Bei der Beantwortung sind wir fast ausschließlich auf das Werk des Dichters angewiesen. Wolfram nennt sich viermal "von Eschenbach". Im Parzival und Willehalm finden sich mehrere Anspielungen auf Örtlichkeiten, die in der Nähe des mittelfränkischen Eschenbach liegen. Z.B. auf Abenberg. Ebenso bemerkenswert ist die Erwähnung der Dollnsteiner Marktweiber, die zur Fastnachtszeit "Turniere" aufführten. Im Willehalm (426,28ff) heißt es:
"Es waren kunstgeübte Leute,
Die fertigten solch Kampfgewand.
Man sieht solch Stück kaum auf dem Sand."
Unter "Sand" ist die Gegend südlich von Nürnberg und östlich von Wolframs-Eschenbach gemeint. Der Wald "Virgunt", von dem der Dichter im Willehalm spricht, lässt sich zweimal nachweisen. Einmal in der Nähe von Ansbach, dann westlich von Ellwangen. Auch die Erwähnung des "Bernhartshuser" Huts (Willehalm 397) spricht für das fränkische Eschenbach. Zur Zeit Wolframs lebte in Eichstätt ein Domherr Friedrich von Bernhardeshusen (Beratzhausen), der vermutlich wegen seiner nicht alltäglichen Kopfbedeckung bekannt war.
Ein weiterer, allerdings späterer und heute nicht mehr vorhandener Beweis ist das Grab Wolframs in der Pfarrkirche von Wolframs-Eschenbach. Jakob Püterich von Reichertshausen suchte im 15. Jahrhundert die Heimat der mittelhochdeutschen Dichter auf. Von Wolfram weiß er zu berichten:
"In manchem Gotteshause
Sucht' ich, wo Wolfram ruht ...
Begraben und besargt
Hat man den Ritter fromm in Eschenbach dem Markt
In unserer lieben Frauen altem Dom.
Der Pilger hier sein Hochgrab findet
Mit seinem Schild auf eigner Tafel..."
Aus den weiteren Versen geht hervor, dass es sich nur um das mittelfränkische Eschenbach handeln kann.
Damit sind die Nachweise selbstverständlich nicht erschöpft. Doch es würde zu weit führen, sie alle wiederzugeben.
Unterm 19. Mai 1917 erließ das Bayerische Staatsministerium des Innern folgende Verfügung: "Seine Majestät der König haben allergnädigst zu genehmigen geruht, dass die Stadt Eschenbach, Königliches Bezirksamt Gunzenhausen, künftighin den Namen Wolframs-Eschenbach führe." Von den acht Eschenbach, die das deutsche amtliche Ortsverzeichnis nennt und von denen sich die Hälfte wie weiland bei Homer um den Dichter stritt, war nur noch ein einziges übrig geblieben.
(Hans Baier: In: Eichstätter Kirchenzeitung. 34 (1971), Nr. 13 (28. 3. 1971))


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