Weiterer Text
Schönbusch
Leuchtend vom Nachtschein falber Westgewölke
Ruht im Tale des Sees krystall'ner Spiegel;
traulich kränzen flüsternde Silberpappeln
Sein Gestade.
(Friedrich Matthisson l787)
"Ich befinde mich direkt in einer Ekstase über alles, was ich heute nachmittag sah; wir haben wieder bei Hof gespeist und nach Tisch fuhren wir in drei Wagen nach dem Schönbusch, einem englischen Garten, eine kleine Meile von Aschaffenburg entfernt. Er ist ein ziemlich großer Wald und seit ungefähr einem Jahr arbeitet der Kurfürst daran, ihn zu einem entzückendem Platz auszugestalten. Man kann dort unmöglich ohne Vergnügen und Geist weilen ... Man entdeckt Schönheiten, welche bisher nur in der Einbildungskraft der Dichter existierten; man ist erstaunt, die herrliche Natur durch die Kunst verschönert zu sehen." (Ein "Vaterlandsfreund" 1775.)
1774 wird Friedrich Karl Joseph von Erthal zum Mainzer Kurfüsten gewählt. Zeitgenossen rühmen ihn als einen "Herrn, der mit einem durch Lectüre, Reisen, Gesandtschaften und Geschäften gebildeten Geist mancherlei Wissenschaften und einen feinen Geschmack vereinigt, der Gelehrsamkeit und Künste liebt, und sie mehr, als einer seiner Vorgänger, jetzt befördert." Als er nach seiner Wahl das kleine Wildgehege und Jägerhaus im Nilkheimer Wäldchen besuchte, gleicht die Gegend noch einer Wüstenei. Doch bald entstehen die ersten Pläne einen Landschaftsgarten. Der Wildpark wird zu einer "Menagerie" erweitert mit einem Teich für Fische und Schildkröten. Der Wald wird ausgeholzt und gelichtet, neue Wege, ein Kanal und schließlich eine Kaskade werden angelegt. Noch ist alles spielerische Laune des Kurfürsten, französischer und englischer Gartenstil streiten miteinander; erst 1778 setzt sich der englische entscheidend durch. Nur der Kanal bleibt. Gleichzeitig werden zwei Alleen von der Stadt her zum Park geführt.
Im Jahr 1775 tritt Graf Wilhelm von Sickingen sein Amt als Minister beim Kurfürsten an und übernimmt die Leitung der Gartenanlage. Er bringt von Wien den jungen Architekten Joseph Emanuel d' Herigoyen mit, wie Sickingen weitgereist und ein Kenner der europäischen Gärten. Der Minister überwacht in den folgenden Jahren Planung und Ausführung aufs peinlichste. Er lässt sich regelmäßig ausführlich berichten und spart nicht mit Lob und beißender Kritik, bevor er die mit "Stubenrauch" unterzeichneten Briefe an "Eminentissimus" Erthal weiterleitet. Besondere Sorgfalt erfordert die Wasserzuleitung und das Bachbett: "Was nun weiters die Bache angehet, so sind an verschiedenen Orten 4 kleine Insulger, mit rings herum fließendem Wasser angeleget, die rauschende kleine. Wasserfälle, mit weiß, rot und schwarzen Kieselsteine beleget, welches dem Auge einen reizenden Unterhalt verschaffet. Die in die Bach, hie und da eingelegte Silber- und Kieselsteine aber zeigen noch keine sonderliche Würkung, weilen das pflanzreiche Gewässer solche also gleich überführet und unscheinbar machet. Eminentissimus gaben dem Gärtner hiebei gnädigst zu vernehmen, dass er die an der Bach sich befindlichen Gegenden mit Lavendel und sonstiger wohlriechender Kräuter und Gehölzer angenehmer machen solle", heißt es in nicht gerade gutem Deutsch in einen Bericht. Sickingen bemerkt dazu: "mögten ja die 4 Inselchen bald wiederum abgeschafft werden!"
Die bei der Ausschachtung der beiden Seen anfallende Erde wird zu einem Berg aufgeschüttet. Er soll so "hoch als möglich" werden, damit man die umliegenden "Dörfer und einen kleinen Strich des Mains übersehen kann, geradeaus aber Aschaffenburg, Stockstadt, Kleinaschaff und, wenn es hell ist, die Hanauer Türme". Mit der Gestaltung der Kaskade und dem kleinen Schildkrötensee am Ende des "Kanalausflusses" ist Sickingen ebenfalls nicht einverstanden: "Felsen muss man haben, sonsten wird die Hauptabsicht verfehlt. Warum sind diese schönen Felsen so verdorben und übel angebracht worden! Auf solche Art kann ich keinen Plan machen und Eminentissimus wird seine Absicht nicht erreichen ... Schildkrötensee ist ein Widersinn ... Eminentissimus wird übel bedient."
Zu den Quadersteinen des "Wassersturzes" bemerkt Sickingen enttäuscht:·"Pfui, nichts Lächerliches wäre sich nicht vorzustellen, ich bitte Eminentissimus diese Sauerei geschwind abbrechen zu lassen, damit ja niemand was davon erfährt, sonst wird Schönbusch wie billig zur Spötterei." Und er beschwört den Kurfürsten: "Ei, ei, alles, was gemacht und verändert worden, entfernet sogar die Ähnlichkeit einer englischen Anlage. Ingenieur und Gärtner haben in ihrem Leben nichts dergleichen gesehen ... Wenn Eminentissimus auch dieses verderben lässt, so bleibt mir nichts übrig, als den garstigen, lächerlichen Schönbusch nicht mehr zu besuchen, aber mich am schönen Spessart zu halten, den kein Ingenieur noch Gärtner verderben kann." Wenig Gefallen findet der Minister, der allen "kleinlichen und kindischen Künsteleien" feind ist, am "Tal der Spiele", das für Kurzweil des kurfürstlichen Hofes sorgen soll. In Stubenrauchs Berichten heißt es dazu: Unterhalb der Sockel haben Eminentissimus auf einem freien Platz ein so genanntes Carossellspiel anzuordnen und zustande bringen lassen gnädigst geruhet. Dieses Spiel bestehet in einer Scheibe, worauf 4 hölzerne Pferde und 2 Kaleschen für Dames festgemacht sind, die ganze Maschine hanget an einem Windenbaum, welcher von einem oder zwei Mann herumgedrehet, und also die hierauf sitzende Personen in einem Zirkel mitgeschlummert werden." Sickingen findet dieses Karussell schlicht "abscheulich".
Für weitere Kurzweil sorgen ein "Vogelschießplatz" und ein "Kögelspiel". Für den See werden Boote angeschafft, darunter eine Jacht mit Mast und Segel und eine mit einer Sirene verzierte Gondel, "schwarz und rot angestrichen, inwendig mit Sessel und Bänken, nebst rotdamastenen Küssen, oben aber einem Chaisenhimmel." Sickingen befürchtet wohl nicht zu Unrecht, dass diese "Seemacht ins Lächerliche fall". Dazu hat der Gärtner "an verschiedenen Orten Buch-, Stock-, Distel- und Blutfinken, Zeiger, und dergleichen Vogelsweibger im Käfig aushenken, auch in einem Kasten etwelche Kanarivögel hinstellen lassen. welches nicht nur die im Walde hineingesetzten Vögel beinhaltet, sondern noch eine Menge augenscheinlich herbeiziehet."
Trotz dieser Abweichungen vom ursprünglichen Plan entsteht eine Anlage, die Lob und Bewunderung der Gartenfreunde findet. l783 besucht Christian Hirschfeld, "kgl. dänischer Justizrat und ordentlicher Professor der Philosophie und der schönen Wissenschaften" Aschaffenburg. Er hatte in jahrelangen Reisen Gärten und Parke der europäischen Fürstenhäuser studiert und seine Ansichten in der berühmten Theorie der Gartenkunst" dargelegt.
Im 5. Band, der l785 erschien, schildert er seine Eindrücke von Schönbusch: "Die Natur hat hier durch vortreffliche Eichen und andre Waldbäume den Anfang der Pflanzung gemacht; demnächst beeiferte sich der gute Geschmack, diese Gegend noch durch Anpflanzung einheimischer und ausländischer, besonders nordamerikanischer Bäume, Sträucher, Stauden und Pflanzen" zu verschönern. Man findet darunter viele seltene und schöne Bäume, die in diesem wärmren Klima glücklicher fortkommen, besonders eine große Sammlung von Rosen." Die "überaus ,reizenden, frischen und schattenreichen Pflanzungen" werden von einem "Bache mit verschiedenen Krümmungen und kleinen Wassergüssen" belebt. Zwei "ansehnliche" Seen bilden "malerische Einbuchten zwischen den Vorsprüngen der Gebüsche". Vor dem ersten See wird eben ein großes Gebäude aufgeführt. Der zweite See "streckt sich zum Teil vor einer sanften Anhöhe hin, worauf ein recht wohl gebaueter und geschmackvoll ausgezierter Pavillon sich erhebt, wo der Kurfürst abzutreten und seine Geschäfte zu besorgen pflegt". Ruhesitze unter hohen Eichen und weiße Bänke verschönern den Park; zierliche Brücken überspannen die "Täler". Einige Stellen haben "ganz vortreffliche Aussichten in die umliegenden Landschaften". "Eine reizende Insel liegt fast gerade gegen ihm über in dem See. Einige alte Eichen verbreiten hier einen dichten Schatten; und zwischen ihnen sind Pflanzungen von den edelsten und seltenen ausländischen Bäumen und Sträuchern, liebliche Blumengruppen und wohlriechende Gewächse verstreut, indessen die offenen Stellen mit dem schönsten grünen Teppich bedecket sind."
Was Hirschfeld in seiner "Theorie" fordert, Baumgruppen in wechselndem Spiel mit Grünflächen, dazwischen Sträucher, Waldstücke mit Wiesen und Lichtungen, exotische Gewächse, die verschlungenen Wege säumen, ist in Schönbusch auf einzigartige Weise verwirklicht. "Eine freie, nur mit niedrigen Baumpflanzungen geschmückte kleine Anhöhe der Insel senkt sich anmutig zum Wasser herab. Man erblickt zur Seite einen aufgeworfenen, hohen und bepflanzten Berg, dessen weitere Bearbeitung noch unvollendet war, und in der Entfernung ein Gebäude, wo der Gärtner und einige Hofbediente wohnen. Mit diesem See hängt ein großer Fluss zusammen, der ebenfalls ein Werk des Fleißes ist, und sich in einer schönen Form, so breit und sich fortwindend, dass man ihn mit dem Main verwechseln könnte, eine kleine halbe Stunde weit erstreckt. Das Ende ist täuschend durch Pflanzung und Ruinen versteckt." Hirschfeld fasst sein Lob in die Worte zusammen: "Alles scheint Natur, so glücklich ist die Kunst versteckt." Er bewundert den "reinen Geist", in dem der Garten begonnen wurde, ist jedoch in Sorge, ob das Werk in dem einmal angefangenen Stil vollendet werden könne: "Wenn der Churfürst ... einen Mann zur Ausführung findet, der seinen großen Ideen und Absichten zu folgen weiß, so wird das Werk allein seine Regierung verewigen können."
Zwei Jahre später stattet Philipp Wilhelm Gercken Schönbusch einen kurzen Besuch ab. Er findet, dass der Park seinen Namen zu Recht führe, indem er "würklich bloß aus Buschwerk bestehet, und recht schön angelegt ist." Gercken lobt die "vielen krummen Gänge, die sauber mit Sand gehalten werden ..., so dass man beständig ganz unvermerkt auf kleine freie Plätze stößt, wo man durch mancherlei Abwechslungen, fast alle mögliche Gattungen von Spielen, die zum Teil amüsieren, oder auch zur Bewegung dienen." Jedem Fremden ist der Zutritt offen. "Die ganze Anlage ist mit vielem Geschmack ausgeführt, und wird jedem Kenner gefallen, nur mögte man noch ein hohes ansehnliches Hauptgebäude darin suchen, so vielleicht mit der Zeit noch gebauet wird, weil man noch beständig fortfährt, die Anlage zu verschönern."
Hirschfelds Sorge, ob der Mann gefunden werde, der die "großen Ideen und Absichten" des Kurfürsten verwirklichen könne, ist unbegründet. Ab 1785 ist Friedrich Ludwig Sckell, Deutschlands bekanntester Gartenarchitekt der damaligen Zeit für Schönbusch tätig. Er war in England ausgebildet worden. Die Pläne der berühmten Parkanlagen in Hessen, der Pfalz, in Schwaben und am Rhein tragen seinen Namen. Der Schwetzinger Garten, der Englische Garten und der Nympenburger Park in München haben ihn berühmt gemacht. Sckell behält den Plan Sickingens bei, ja er verwirklicht ihn genauer, als es die früheren Architekten taten. Er dringt auf die Beseitigung des von Sickingen kritisierten Schildkrötensees und er schlägt vor, die Quadermauer an der Kaskade mit "großen Felsenstücken zu verkleiden, die nicht aufeinander gemauert, sondern willkürlich in großen Massen hingeworfen sein müssen, damit man dadurch die künstliche Lage der Felsen verstecke". Er verzichtet auf künstliche Ruinen, Plastiken und andere historisch-sentimentale Staffagen. Lediglich die Gartenarchitektur erhält in bescheidenem Maße Zuritt, in einem Programm, dem die Idee der christlich-philosophischen Tugenden zugrunde liegt.
Es entstehen ein "Speisesaal", ein kleines Küchengebäude, Gewächshaus, Gärtnerwohnung, das Philosophenhaus und der so genannte Freundschaftstempel. Von der Entstehung dieses Tempels erzählt eine hübsche Anekdote. Zwei hochgestellte Hofdamen gerieten fürchterlich aneinander und erst nach langem Bemühen glückte die Versöhnung. Um sie gebührend zu feiern, ließ der Kurfürst besagten Tempel errichten.
Den ersten Rang unter allen anderen Gebäuden muss man dem Schlösschen zu erkennen, einem malerisch zwischen den beiden Seen gelegenen klassizistischen Bau. Der Mittelsaal ist ganz in Stuck gehalten. Für den Kurfürsten, der als geistlicher Herr täglich die heilige Messe lesen musste, war ein Altar eingeplant, allerdings in einer Nische hinter einer Spiegeltüre versteckt, wo man ihn nach Bedarf herausklappen konnte. Lola Montez soll einst in dem Schlösschen übernachtet haben. Und Schiller traf sich hier mit seinem Gönner dem Kurfürsten Karl Theodor von Dalberg zum Schachspiel.
Für ländliche Idylle sorgte im südlichen Teil des Parks das "kleinste Dorf der Welt", das 1788 von d' Herigoyen geschaffen wurde.
Die weiteren Pläne Sckells griffen weit über den ursprünglich 157 Hektar großen Gartenbezirk hinaus. Das ganze Mainknie sollte in eine riesige Parklandschaft verwandelt werden. Die Französische Revolution und die Säkularisation machten dieses Vorhaben zunichte. In der bayerischen Zeit (ab 1814) beschränkte man sich darauf, die vorhandenen Teile zu erhalten. Umfangreiche Restaurierungsarbeiten werden nach dem Ersten Weltkrieg eingeleitet.
Nur kurz möchte ich auf die prominenten Besucher eingehen. 1803 macht Johann Gottfried Herder zusammen mit dem Kurfürsten einen Ausflug nach Schönbusch. Im Mai 1818 wandert August Graf von Platen von Würzburg nach Aschaffenburg und notiert für sein Tagebuch: "Der schöne Busch, der indessen zum Baum herangewachsen, verdient sein Beiwort. Wahrhaft reizende Schatten! Welch selige Einsamkeit in diesen Gängen, auf diesen Mosaikbrücken! Ein See mit Inseln. Ein Tempel der Freundschaft; ein anderer dem Glück heilig." 1942 veröffentlicht Ruth Schaumann, den Unterfranken durch ihre Aschaffenburger Sonette" bekannt, die Novelle "Der Hirte im Schönen Busch".
Schönbusch ist ein großartiges Fragment geblieben. "Ein Werk, das Vorurteile und Trägheit verbannt, das Unterricht und Erfahrung verbreitet, das in Privatbesitzungen teilweise nachgeahmt werden kann, und das diese Nachahmung verdient" (Hirschfeld). Wer den Park heute aufsucht, wird den begeisterten Worten Wilhelm Hausensteins zustimmen, dass in ihm etwas Einmaliges enthalten sei, "das nur an Ort und Stelle erfahren werden kann, und dies Einmalige, sowohl bedeutend als auch intim, besitzt in der Tat eine besondere Eindringlichkeit, eine besondere Magie". Schönbusch besitzt jenen Reiz, in dem Natur und Kunst zusammenwirkend ein Drittes hervorbringen, das in seiner Ausgeglichenheit weder Kunst noch Natur ist und doch von beidem das Schönste besitzt".
(Hans Baier)
Wir freuen uns auf Ihre Nachricht! Schreiben Sie uns: frankenbaier@gmx.de
Vielen Dank!
Ihr
Hans Baier