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Schloss Seehof
"Amerika, du hast es besser ...,
Hast keine verfallene Schlösser ...
Dich stört nicht im Innern
Zu lebendiger Zeit
Unnützes Erinnern
Und vergeblicher Streit."
(J. W. von Goethe)
Der Denkmalpflege im Landkreis Bamberg fiel neben Pommersfelden und Ebrach ein weiteres Kunstwerk von europäischem Rang als Restaurierungsaufgabe zu; das ehemals fürstbischöfliche Schloss Seehof am östlichen Stadtrand von Bamberg. Lange Jahre hielt sich die Assoziation von Ausverkauf und Zerstörung. Verwitterte Tore und Mauern versperrten den Zutritt. Mehr und mehr schien das Schloss in den wogenden Baumkronen zu versinken. Die weitläufigen Weiher verstärkten das Bild düsterer Melancholie: eine elegische Szenerie, ein seltsam unfränkischer Kontrapunkt zu der heiteren Vorjuralandschaft.
Alle Ankaufsbemühungen des Staates waren zum Scheitern verurteilt, beispielsweise 1951, als der letzte Baron von Zandt im Schlossweiher den Tod fand; die vorgesehene Summe wurde damals für die Burg Lauenstein verwendet. 1975 endlich konnte die Presse melden: "Freistaat Bayern kauft Schloss Seehof für 5,8 Millionen DM; eine der schönsten Anlagen Frankens wird gerettet". Vorausgegangen waren intensive Überlegungen über den künftigen Verwendungszweck. Im Landesamt für Denkmalpflege wurde ein neuer Hausherr gefunden der die Gewähr für eine optimale Nutzung und für eine stilgerechte Restaurierung bot. Eines stand von Anfang an fest: die Kosten für die Wiederherstellung würden die Kaufsumme bei weitem übersteigen, ging es doch neben dem heruntergekommenen Schloss samt seinen Nebengebäuden auch um den verwilderten und zerstörten Rokokogarten, der in seiner Glanzzeit mit Schönbrunn in Wien wetteiferte.
Um Dimension und Problematik der Restaurierung verständlich zu machen, sei ein kurzer Blick in die Geschichte gestattet. Schon bald nach seiner Wahl zum Bamberger Fürstbischof fasste Marquard Sebastian Schenk von Stauffenberg den Entschluss zum Bau; seit 1687 waren Antonio Petrini, Georg Dientzenhofer und der Kronacher Festungsbaumeister Johann Christein in Seehof tätig. Der prächtigen Vierflügelanlage - mit ihren mächtigen helmbewehrten Türmen noch ganz der fortifikatorischen Tradition des mittelalterlichen Burgenbaus verpflichtet - gesellten sich im Laufe der Jahre Orangerie, Fasanerie, Schweizerei und Franckensteinschlösschen zu. Im 18. Jahrhundert widmeten sich Balthasar Neumann und Johann Michael Küchel der Innenausstattung. Für die Stuckaturen wurde Johann Vogel gewonnen. Appiani malte 1752 das Deckenfresko im "weißen Saal". Unter Adam Friedrich von Seinsheim (1757 - 1779) erlebte der Garten seine Blüte. Ferdinand Dietz, einer der berühmtesten Bildhauer des 18. Jahrhunderts, schuf den Figurenschmuck.
Ende des 18. Jahrhunderts verloren die Bamberger Fürstbischöfe das Interesse an Seehof. Der Garten verwandelte sich, dem Zeitgeschmack folgend, in einen englischen Park. Zwar berichtet 1784 der Altdorfer Professor Will, dass immer noch "Lustpartien" selbst bis von Nürnberg hier kämen und ein Jahr später besucht die kurländische Dichterin Elise von der Recke den Garten in Begleitung des Abtes Eck, der sich mit Begeisterung ehemals daselbst genossener Freuden" erinnert. Doch 1803, wenige Jahre später beendet die Säkularisation eine einstmals glanzvolle Vergangenheit. "Die Anlagen des Parks waren verwildert, die Gänge verwachsen und mit Unkraut bedeckt; auf dem sonst so schönen Rasenplatz vor dem Schlosse weidete in dem hohen Grase Vieh - die Fenster des Schlosses hin und wieder zerbrochen - der Aufgang verfallen. - Keine menschliche Seele ließ sich blicken." Diese Zeilen aus E. T. A. Hoffmanns "Elixiere des Teufels" schildern besser als es viele Worte vermöchten den Niedergang Seehofs Anfang des 19. Jahrhunderts.
1817 spricht ein amtlicher Bericht von einer "sehr traurigen Metamorphose". Wiedertäufer pachteten das Schloss, Kriegsgefangene wurden einquartiert und der berüchtigte Liquidator wertvollen Säkularisationsgutes, der Landbauinspektor Frhr. von Hohenhausen, trug seinen Teil dazu bei, dass die Wasserkünste für immer versiegten, ohne dass der "Erlös die Zerstörungskosten aufwog".
184o kaufte Friedrich von Zandt Schloss und Ländereien, insgesamt 568 Tagwerk, vom bayerischen Staat um 92000 Gulden. Schon der Neffe des Käufers klagte: "Mein Onkel hat mir ein Schloss vermacht, er hätte mir auch 100000 Gulden vermachen sollen". Die Weiher wurden entwässert und in Wiesen umgewandelt, der Garten kam zum Teil unter den Pflug, einige Nebengebäude wurden auf Abbruch versteigert. Während sich Friedrich von Zandt noch der Tradition verpflichtet fühlte und die durch die Säkularisation verschleuderten Möbel zurückkaufte, wurde in den letzten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts alles versilbert, was ohne Tieflader abzutransportieren war.
Vor diesem Hintergrund muss die Wiederherstellung gesehen werden. Das Schloss und die noch bestehenden Nebengebäude (Dietzmuseum, Vortragssaal, Café und Bedienstetenwohnungen sollen hier installiert werden) sind inzwischen zum Teil restauriert. Beim Garten jedoch scheiden sich die Geister. Es gibt zwei Möglichkeiten; die sich beide "historisch" rechtfertigen lassen: einmal die Rückkehr zum Zustand des ausgehenden 18. Jahrhunderts oder die Wiederherstellung der stilreinen Rokokoanlage, wie sie sich uns in Veitshöchheim präsentiert. Durch die Kupferstiche Salomon Kleiners und zeitgenössische Beschreibungen sind wir bis ins Detail über den ursprünglichen Zustand informiert; eine historisch getreue Rekonstruktion wäre daher möglich. Gewichtiger jedoch ist der Einwand, man müsste das englische Fragment schon aus landschaftsgestalterischen Gründen erhalten: zu abrupt würde die eigenwillige, charakteristische Schlossfassade der ausufernden und stillosen Memmelsdorfer Siedlung gegenübergestellt.
Bereits die Reisenden des 18. Jahrhunderts nahmen einseitig Partei für den Landschaftsgarten. Während die gezirkelten Wege und gestutzten Boskette noch die Kulisse für prächtige Feste abgaben, entstand nur eine Tagesreise entfernt ein neuer Gartentyp, der um ein Wort des Schweizer Dichters Heinrich Zschokke zu gebrauchen, zum "Wallfahrtsort der Franken" wurde: Sanspareil. Friedrich Nicolai tadelte die "kahlen Grasplätze" und das "einförmige der Symmetrie" Seehofs. Hingegen lobte er den Gärtner, der so verständig war, "die Bäume frei schießen und die Zweige natürlich wachsen zu lassen, nicht sie in die unnatürliche Quadrat- und Fächerform zu verstümmeln, welches die unseligste Erfindung der ehemaligen französischen Gärtnerei ist"(1781). Auch der Ansbach-Bayreuther Kanzleirat Johann Michael Füssel, der beste Kenner der wilhelminischen Gärten, hält ein eindeutiges Plädoyer: "Vielleicht mag die große Idee, die man uns vom Seehof beigebracht hatte, viel dazu beigetragen haben, dass es uns nicht behagen wollte. Wir glaubten, ein Paradies zu finden, das unsere Eremitage ganz. verdunkeln würde, fanden aber nur ihren Schatten wieder". Begeistert ist er hingegen von den neuen Teilen, "die ihre Schwester auf der Eremitage weit" übertreffen (1787).
Demgegenüber steht das viel zu wenig bekannte Urteil des Romantikers Tieck, der nach dem Besuch der Luisenburg im Fichtelgebirge sein positives Urteil über Sanspareil revidiert. Im "Phantasus" bedauert er die "seltsame Verwirrung", die viele barocke Gärten vorsätzlich vernichte, "um eine unerfreuliche Verwirrung von Bäumen und Gesträuchen an die Stelle zu setzen, die man nach dem Modeausdrucke Park benamt, und so bloß einer toten Formel frönt, indem man sich im Wahn befindet, etwas Schönes zu schaffen."
Die Überlegungen zu Wiederherstellung des plastischen Schmucks werfen neue Probleme auf. Über 400 Figuren fertigte Ferdinand Dietz seit 1748: illustre Götter aus der römischen und griechischen Mythologie, dazu Allegorien, Vasen, Urnen, Fauns und Sphinxe. Ebenso wie der Rokokogarten gerieten auch sie im ausgehenden 18. Jahrhundert ins Kreuzfeuer der Kritik: "Sie unterhalten und überraschen zu wenig" (Füssel); "von auffallend schlechter Zeichnung" (Wackenroder), "gemeine Natur ohne Ideal" (Nicolai); und der Salzburger Konsistorialrat Baader versteigt sich zu dem Urteil: "Man findet hier die allergemeinste auch nicht um ein Haar veredelte Natur, hässliche Formen, und vor allem so geschmackwidrige Ideen, als ich noch nie in Stein ausgeführt sah". Dazu zeigten sich ernste Schäden am witterungsempfindlichen Sandstein. Der sparsame (und wohl auch prüde) Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal ließ 1783 367 Figuren in einen Schuppen bringen, "wo sie auch selbst den unheiligen und ketzerischen Fremden nicht einmal auf ihr Verlangen gezeigt werden dürfen" (Röder). Nach der Säkularisation erfolgte schließlich die Versteigerung durch die Kgl. Finanzdirektion des Mainkreises. Was nicht zugrunde gegangen war, gehört heute zum kostbaren Besitz von Museen und Privatsammlern in aller Welt. Eine Rekonstruktion des ursprünglichen Programms ist nur teilweise möglich, hängt darüber hinaus auch von der Gestaltung der Gartenanlage ab.
Bei der berühmten Kaskade, die von der letzten Gräfin als Swimmingpool benutzt wurde, ist die Entscheidung bereits gefallen, sie soll so weit wie möglich wieder aufgebaut werden. Sie war im südwestlichen Parterre errichtet worden, von einer eleganten Treppe eingerahmt und von einem monumentalen Herkules bekrönt. Vor ihm stürzt eine männliche Figur in die Tiefe. Löwen, Stiere und zwei Flussgötter, den Main und die Regnitz symbolisierend, schmücken das prachtvolle Kunstwerk. "Aus der Pyramide, die oben am höchsten steht, springen hohe Strahlen heraus; sie brachten in dem Schimmer der untergehenden Sonne Regenbogen hervor, und fielen, von dem sanft glühenden Abendhimmel erleuchtet, als ein goldener oder diamantener Regen nieder, und spritzten im feinsten Staub umher. Drachen und andre Gestalten spieen Wasser aus, das auf Stufen herunterflog. Aus Schalen stiegen niedrige, aber armsdicke Strahlen empor ... Alle die mannigfaltig aufspringende und nieder rieselnden Wasserströme machten die lieblichste Abendmusik", schrieb Wackenroder begeistert in sein Tagebuch.
Bei der Restaurierung des Gartens müssen notwendigerweise Kompromisse geschlossen werden. Dennoch wird Seehof wieder zu einer Sehenswürdigkeit ersten Ranges in Franken werden. Damit ist auch die Kritik weitgehend ausgeräumt, die sich nach dem spektakulären Ankauf breit machte, man hätte das Geld besser "in Industrie" angelegt. Industrieansiedlungen sind nach wie vor in strukturschwachen Gebieten notwendig, aber ihre Anfälligkeit in Zeiten der Rezession ist nicht zu übersehen. Das größte Kapital des Landkreises Bamberg ist seine Landschaft: Steigerwald und Jura, Fränkische Schweiz, Mainlande und Itzgrund (von Herder als schönste Gegend der Welt gerühmt). Und die Perlen in dieser Landschaft sind die Kunstwerke Pommersfelden, Ebrach, Schloss Greifenstein und nicht zuletzt Seehof. Nicht Anlass zu "unnützem Erinnern und vergeblichem Streit" sollten sie uns sein, wie Goethe ironisch gedichtet hat. Die hohen Kosten, die für ihre Erhaltung ausgegeben werden, sollten als bescheidener Ausgleich für die Verluste der Säkularisation und der nur 15 km vom Landkreis entfernten Zonengrenze gesehen werden.
(Hans Baier In: Bayerische Staatszeitung)
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Hans Baier