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Ein berühmter Eichstätter Konrad Kyeser

Über einen der berühmtesten Eichstätter, Konrad Kyeser, wüssten wir nichts, wenn uns nicht sein Werk der "Bellifortis" (Kriegsheld) in zahlreichen Bilderhandschriften überliefert wäre. Die prachtvollste unter ihnen wird seit 1773 in der Göttinger Staats- und Universitätsbibliothek aufbewahrt, doch es dauerte nahezu hundert Jahre, bis die Öffentlichkeit auf dieses Kunstwerk aus dem ausgehenden Mittelalter aufmerksam wurde. Die erste eingehende Würdigung stammt aus dem Jahre 1871 von August von Eye, damals Abteilungsleiter Direktor am Germanischen Museum im Nürnberg. Durch Max Jähns, der 1889 die Handschrift für seine "Geschichte der Kriegswissenschaft" verwendete, wurde die Forschung leider für lange Zeit in falsche Bahnen gelenkt. Erst 1965 ist es dem Diplomingenieur Götz Quarg gelungen, in der "Zeitschrift für Technikgeschichte" mit den falschen Ansichten Jähns aufzuräumen.
Vor wenigen Tagen erschien nun der lang erwartete Nachdruck der ganzen Handschrift. Der erste Band bringt eine Faksimilewiedergabe des lateinischen Textes und der herrlichen Bilder (195) im Originalformat (24 mal 32 cm) und zum Teil farbig. Der zweite Band enthält die Umschrift und Übersetzung nebst Erläuterungen. Durch das Format und das aufwendige Druckverfahren ist das Buch allerdings nicht billig. Als Herausgeber zeichnet die Georg-Agricola-Gesellschaft, als Bearbeiter und Übersetzer Quarg.
In zehn Kapiteln wird unter anderem über Angriffs- und Verteidigungswaffen für Feldschlacht und Festungskrieg, über Armbrüste, Wurfmaschinen und über die kriegstechnische Verwendung des Feuers (Raketen, fliegende Drachen) berichtet. Doch nicht nur Kriegswaffen, auch Zauberrezepte, Bäder (Sauna!), Hausmittel und Foltergeräte werden von Kyeser abgebildet und beschrieben. Am Ende der Handschrift folgen das so genannte Totenlied, die Grabschrift und ein Bildnis, "wohl das früheste ganz sachliche, von allem Beiwerk freie 'Porträt' eines Buchverfassers".
Die wenige Nachrichten, die wir über Kyesers Leben kennen, sind der Handschrift entnommen. Zu einem Bildnis, das ihn in schlichter Hauskleidung darstellt, schreibt er, dass er 1366 geboren wurde, "am Merkurtage (26. August) nach dem Fest des hl. Bartholomäus, des geschundenen ... vom Vater Rüdiger und der frommen Mutter Elisabeth. An anderer Stelle erwähnt er seine schwache Sehkraft und gesteht, dass er Vater eines unehelichen Sohnes, der ebenfalls Rüdiger heißt, sei. Aus dem Rahmentexten der Handschrift kam man schließen, dass Kyeser in seiner Jugend eine sorgfältige Bildung genossen hat. Man kann ihm hervorragende Lateinkenntnisse, leidliche Griechischkenntnisse und ein fundiertes Wissen in Philosophie, Theologie und Medizin bescheinigen. Durch den Herzog Stephan III. von Bayern-Ingolstadt lernte er den Kriegsdienst kennen. 1390 nimmt der an der Rückeroberung von Padua teil, sicher nicht als Kriegsingenieur, sondern als Feldarzt. Es folgt der Türkenzug Kaiser Sigmunds, der dem noch nicht Dreißigjährigen zum Verhängnis wird, und zwar durch die Niederlage in der Schlacht bei Nicopolis am 28. September 11396. Wahrscheinlich ist Kyeser "desertiert". Von daher rührt auch die lebenslange unversöhnliche Feindschaft zwischen ihm und Sigmund. Er wurde verbannt. "So habe ich fliehen wollen. Und darum sitze ich jetzt auf dem Strafbock", schreibt er.
Über den Verbannungsort gibt es zwei Theorien. Im Handschriftentext ist von "Sub Castro Mendici" die Rede, was mit "unter der Burg Bettlern" zu übersetzen ist. Im weiteren spricht er von den "böhmischen Bergen". Es könnte sich also um die Jagdburg Zebrak, die Wenzel, dem älteren Bruder Sigmunds gehörte und die in deutschen Urkunden "Bettlern" genannt wird, handeln. Wahrscheinlicher jedoch ist der kleine Ort Bettlern an der Eger in der Nähe von Kaaden, der unterhalb der heutigen Ruine Schönburg liegt.
An seinem Verbannungsort ist Anfang des 15. Jahrhunderts der "Bellifortis" entstanden. Maler der Prager Wenzelschule werden im sicher dabei geholfen haben. Beim Abschluss des "Bellifortis" war Kyeser 39 Jahre alt. Aus verschiedenen Hinweisen darf man auf eine unheilbare Krankheit schließen. In seiner eigenen Grabschrift hat der den Platz für sein Todesjahr offen gelassen, doch niemand hat das Datum nachgetragen.
Neben der Göttinger sollen noch einige andere Handschriften erwähnt werden. Aus der ersten Zeit der Fertigung stammen vier. Je eine liegt in Göttingen und Heidelberg, zwei werden in Wien aufbewahrt; sie stammen vom Schloss Ambras. Zwei weitere sind in Wien (ebenfalls Schloss Ambras, eine davon bemerkenswert, weil sie den lateinische Text in hebräischen Buchstaben bringt). Aus dem 15. Jahrhundert sind sieben bekannt, darunter eine in Erlangen, die als Waffenhandschrift des Ritters Ludwig von Eyb, bezeichnet wird. Man nimmt an, dass der Nachlass Kyesers zum Teil in seine Heimat gebracht und dort gebunden worden ist.
über dem technischen Wert der Handschrift wurde durch die beiden Sprengstofftechniker Romocki 1895 und Bertholet 1895 und 1900 (später französischer Politiker und Minister), später durch Klemm, Feldhaus und schließlich 1965 durch Quarg zum Teil ausführlich berichtet. Die literarische Qualität des Textes konnte verständlicherweise nur kurz gesteift werden. Wir dürfen jedoch Kyeser getrost zu den Eichstätter Dichtern rechnen; das beweist ja auch, dass er 1936 durch W. Stammler in das "Verfasserlexikon des deutschen Mittelalters" aufgenommen wurde.
Zwei Kostproben mögen das bestätigen:
Das Totenlied beginnt mit dem Versen:
"Licht, Wahrheit, Glanz und Lebensweg für unsere Erdenzeiten
Herr über alle Kreatur, Herr über alle Weiten
Du wollest unsrer Zukunft Glück, den Toten Ruh' bereiten
Du wollest uns bei Tag und Nacht mit deinem Trost geleiten."
Und in seiner Grab Schrift:
"Alle Eichstätter mögen ihn beweinen
Die Fürsten von Sachsen und die Herzöge von Schlesien
Haben diesen Vortrefflichen geliebt, denn über alle Werte
Hat leuchten der 'Bellifortis' gestrahlt, Heere niederwerfend ..."
(Hans Baier in: Eichstätter Historische Blätter)


Korrekturen, Ergänzungen?


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